Bogenschießen als Kraftausdauersportart, in "Faszination Bogen", Nr.3 2017

Wie man sich doch täuschen kann... In den über vierzig Jahren, in denen ich mich mit Bogenschießen beschäftige, habe ich diesen Sport immer als eine Schießsportdisziplin aufgefasst, bei der Geschicklichkeit, Beherrschung der Feinmotorik, Ausdauer, Konzentrationsfähigkeit, Nervenstärke weit im Vordergrund stehen. Dass man genügend Körperkraft hat, den Bogen zu spannen und zu schießen, war eine Selbstverständlichkeit, und eine Selbstverständlichkeit auch, dass mit steigender Leistungsstärke auch Kräfte ansteigen, um den Bogen zu beherrschen, aber dieser Kraftanstieg eindeutig beherrschbar und nicht entscheidend ist.

Nun wird in den Ausdruck "Kraftsportart", nebenbei Bogenschießen ist eine "Schießsportart", noch verschämt die "Ausdauer" dazwischengequält, also "Kraftausdauersport"... Nun ja. Dann gucke ich mir diesen Artikel kritisch an.

Artikel "Spezielle Kraft tanken", Zitat:
Bogenschießen ist eine Disziplin der Kraftausdauersportarten.
Es gibt keine "Kraftausdauersportarten" Kraftausdauer ist ein Ausdruck aus der Sportwissenschaft, damit soll definiert werden,dass bei einigen Sportarten höhere Kräfte für den Einsatz über einen längeren Zeitraum (Minuten, Stunden) trainiert werden müssen. Schießsportarten fallen nicht darunter, weil die Erholungszeiten zwischen den Schüssen relativ lang und individuell wählbar sind. Ein (schwaches) Beispiel wäre die Pistolendisziplin Duell, da besteht zwischen den einzelnen Schüssen nur eine Pause von 7s, danach muß die Masse der Waffe von rund einen kg um ca 1m gehoben werden, am Ende der Schießzeit (Start Heben der Waffe aus der unteren Stellung) von 3s muß ein präziser Schuß erfolgen.

Das Bogenschießen oder allgemein Schießsport keine Kraftsportart ist, dürfte unbestritten sein.
Zitat:
Die besondere Herausforderung liegt darin, den Pfeil .... um ihn dann mit hoher Bewegungskonstanz zu lösen... Mein Gott, jetzt ham'ses' Genau. Mit "hoher Bewegungskonstanz". Schießen ist ein Sport, der feinste, anzipitierte, durch das Unbewußte gesteuerte Bewegungskonstanz erfordet. Und dann kommt:
Allgemeines Krafttraining erfolgt mit Hanteln... oder beispielsweise mit Übungen, bei denen das eigene Körpergewicht genutzt wird... athletische Grundlagen... muskuläre Dysbalancen die sich beim intensiven Schießtraining ausbilden...
Ja, denk'ste... Ham se nich: Mit ausgiebigem Hanteltraining, Sit ups, Liegestützen wird Feinmotorik zerstört.

Zitat: Variationen des spez. Krafttrainings, Training mit hohen Pfeilumfängen, hohe Pfeilzahl pro Passe, rasche Schußfolge
Das ist Herumgeballere, das keinem nutzt -äh, doch, den Pfeilherstellern-, sogar dem Schützen schadet. Die Haltungsfehler, die er sich dabei aneignet müssen später durch einen guten Ausbilder wieder ausgebügelt werden, wenn das überhaupt noch geht. Aber es kommt noch dicker, Zitat:
Ziehen Sie den Bogen aus, bis Sie die Zughand im Anker platziert haben. Halten Sie den Pfeil möglichst lange unter dem Klicker. Bevor.... die Halteposition instabil wird ziehen Sie den Pfeil durch den Klicker und lösen die Sehne.... Wiederholen Sie die Übung.
Wer hat die Autoren auf diese Idee gebracht? Die ist noch beschissener als die Idee des "verlängerten Schusses". Mit solchen "Übungen" wird die gesamte, mühsam antrainierte Antizipation heftig durcheinandergebracht. Aber es kommt noch schlimmer:

Zitat:
Dichtetraining: .... verlängerte Haltezeiten... Haidn ...sog. Dichtetraining... Mit diesem Training erwerben Sie die Fähigkeit, den Pfeil bei Windböen länger unter dem Klicker zu halten, um ihn dann technisch sauber zu schießen.
Schon mit der Propagierung des "verlängerten Schusses" hat Haidn eine schädliche Trainingsmethode in's Spiel gebracht, die den gesamten inneren Regelkreis (Antizipation) vernichtet. Schießen bei Wind geht anders: Beobachtung und schnelles Reagieren auf Windstille. Ansonsten ist es sowieso ein Glücksspiel. Deshalb riskiert man nicht seinen Schießstil.

Dann kommt noch Training mit erhöhter Endhaltekraft, mit erhöhter Bogenmasse, spezielles Krafttraining nach Südkoreaart... Ich habe noch nie gehört, dass Sportschützen die Abzugskräfte ihrer Waffen im Training erhöhen, die Masse ihrer Sportwaffen künstlich erhöhen, was auch immer. Jedenfalls werden durch solche Maßnahmen mit Sicherheit negative Enflüsse auf die wichtigsten Größen, Feinmotorik und Koordination erzeugt. Von dem seltsamen Rat des Südkoreatrainers, durch keine nachvollziehbare Begründung gestützt, ganz abgesehen. Ja ich weiß, der Schlepper-Nepper-Bauernfänger-Trick zieht bei Doofen immer: Wer heilt hat recht...

Noch ein Beispiel für jene, die meinen, Bogenschießen wäre ein KraftAusdauer-Lach!-sport:
Schumann hat sich seine Finger versaut, weil er versuchte, durch Krafttraining der Hände/Finger sein Klavierspiel zu verbessern. Das Beispiel passt gut. Ich bringe meinen Schützlingen bei, dass sie verinnerlichen müssen, ein Musikinstrument anzufassen, wenn sie die Finger um die Sehne legen und nicht eine Kuhkette.

In einem eigenen Kasten wird die sog "Stützlinie" hochgejubelt, sie hängt eng mit dem "Kraftdreieck" zusammen. Dazu ist hier und hier schon alles gesagt. Auch Lisa Unruh hat keine "Stützlinie" wie in der Abbildung mit dickem Strich ohne jegliche Zuordnung zu den Schultergelenken reingeschmiert... So etwas könnte man auch "Fake-Bilder" nennen. Hier noch mal zur Illustration, wie komplex die Verhältnisse sind, wenn man das Spannen eines Schützen untersucht, der eben nicht ideale anthropometrische Verhältnisse in seinem Skelettaufbau hat.

Bewertung:
"Spezielle Kraft" tanken ist einer der schlechtesten Artikel, die ich je über Training Bogenschießen gelesen habe. Überflüssig wie ein Kropf und im Aufbau und in den Trainingsempfehlungen einfach nur schädlich. Ich denke nicht, dass ich dieses Magazin noch längere Zeit abonniert haben werde. Dazu kommt noch, dass dieser Artikel keinen Autor nennt. Es wird von "wir" geschrieben. Weshalb? Wenn ich etwas geschrieben habe, dann stehe ich auch dazu..

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